Für Sie gelesen:
Spatriati
Mario Desiati
Aus dem Inhalt: „Spatriati“- das sind in Apulien die Unbestimmten, die aus der Art Schlagenden, die Spinner, die Ziellosen und Alleinstehenden, kurz, die die nicht dazugehören, so wie Claudia und Francesco. Claudia, leuchtend rotes Haar, mondweiße Haut, ist extravagant und durchsetzungsstark. Francesco, die „schwarze Traube“ akzeptiert stumm die Geschlechterrollen und das „Gesetz des ruhigen Lebens“ auf dem Land. Doch seine Mutter liebt ihren Vater. Und aus dem Ehebruch entsteht eine ungleiche Freundschaft. Er verehrt sie abgöttisch, sie behandelt ihn wie den kleinen Bruder. Sie ist ihm stets zwei Schritte voraus, er sieht zu, wie sie an die falschen Männer gerät. Ihr lässt die Provinz keine Luft zum Atmen. Er ist den Traditionen Apuliens eng verbunden und kann dort doch nicht er selbst sein. Francesco folgt Claudia nach Berlin, wo ihn grenzenlose, auch sexuelle Freiheit erwartet- und neue Fremdheit.
Ein tiefgründiger poetischer Roman über das Anderssein, 2022 ausgezeichnet mit dem italienischen Literaturpreis Primo Strega.
Zwei Menschen suchen ihren Platz in der Gesellschaft, ihr eigenes Glück und ihre eigene Identität. Sie können nicht miteinander aber auch nicht ohne einander. Verwirrt, innerlich zerrissen bleiben sie einander verbunden, trotz unterschiedlicher Lebensentscheidungen. Hinzu kommen familiäre Erwartungen, soziale Normen und die Frage, wo kann Heimat sein und kann ich mir da erlauben, anders zu sein. (KB)
Dorf ohne Franz
Verena Dolovai
Maria erzählt ihre Geschichte – geprägt vom Landleben in den 1960er Jahren, das hart und entbehrungsreich ist. Sie wächst mit zwei Brüdern auf: Josef erbt den Hof, Franz bekommt Geld und verlässt die Familie. Maria (die ja nur ein Mädchen ist) muss verzichten. Gedemütigt und übersehen bleibt sie für alle eine billige Arbeitskraft und muss die Pflege der Bedürftigen in der Familie übernehmen, sie erträgt es und funktioniert: „Ich habe der Rolle entsprochen, die erwartet wurde. Weil ich nicht auffallen wollte. Weil ich es nicht konnte“. Auch die Heirat mit Toni wird ihr Leben nicht ändern. Es sind düstere Bilder von einer beklemmenden Enge auf dem Dorf und stets dominierenden Männern.
Spät, aber nicht zu spät bekommt Maria die Chance, ihr Leben endlich selbst in die Hand zu nehmen.
“ Ich gehe, ich schwebe über der Erde. Verliere an Gewicht. Mit jedem Schritt, den ich weitergehe. Schnuppere die Luft, die nach Kuhmist und Sommer riecht. Zwinkere in die Sonne, die mir entgegenlacht, meine Stimmung zum ersten Mal seit langem wieder erhellt“
Ungewöhnlich und nüchtern erzählt, sehr beeindruckend. Meine Leseempfehlung für diesen Titel, der als Debüt der Autorin für den österreichischen Buchpreis nominiert ist. (KB)
Die Frauen jenseits des Flusses
Kristin Hannah
„ Auch Frauen können Helden sein“ – mit diesen Worten in Gedanken folgt die junge Frances McGrath ihrem Bruder als Krankenschwester in den Vietnamkrieg. Trotz des Schreckens dort findet sie Freunde, Liebe und ihre Bestimmung. Aber der wahren Herausforderung muss sie sich erst mit ihrer Rückkehr nach Amerika stellen. In der ersten Hälfte des Buches begleiten wir Frankie seit ihren Entschluss, ihrem Bruder zu folgen und durch ihre Zeit in Vietnam. Kristin Hannah hat mit ihrem Buch erstaunlich bildhafte Szenarien beschrieben, die einen sowohl schockieren als auch ans Herz gehen. Die zweite Hälfte des Buches beschäftigt sich mit Frankies Rückkehr und den Auswirkungen des Krieges im Land sowie bei ihr persönlich. Das Buch macht aufmerksam auf die Behandlung von Frauen während und nach der Kriegszeit. Nicht nur stoßen die Soldaten auf Unverständnis und Abneigung, ganz besonders erfahren Frauen keinen Rückhalt, denn „ es gab keine Frauen im Krieg“
Das Buch hat mich definitiv begeistert und gehört zu den Highlights meines Lesejahres. Ich hatte so oft Frösche im Hals und Tränen in den Augen beim Lesen und habe mit Frankie mitgefiebert. Das Buch hat einen tollen Lesefluss und der Schreibstil der Autorin ist sehr bildhaft und angenehm, sodass ich es nur schwer aus der Hand legen konnte. Eine definitive Empfehlung von mir, es wird sicher nicht der letzte Roman von Kristin Hannah bleiben, den ich lesen werde.
Buchbesprechung von Christin Jutzi
Mein drittes Leben
Daniela Krien
Linda und Richard führen ein priviligiertes, sorgenfreies Leben, sie arbeitet als Kuratorin in einer Kunststiftung, er als bildender Künstler. Die gemeinsame Tochter Sonja wird erwachsen und ist das erste Mal verliebt. Auf dem Weg in die Stadt verunglückt sie mit ihrem Rad, tödlich. Diesen Schicksalschlag müssen die Eltern jetzt verkraften. Für Linda ist der Schmerz unerträglich, täglich fährt sie zur Unfallstelle, besucht Sonjas Freundinnen und versucht jedes Detail aus dem Leben ihrer Tochter aus ihrem Gedächtnis abzurufen. Richard sucht Trost bei einer Schriftstellerin und löst sich aus der Beziehung. Eine niederschmetternde Diagnose wirft Linda vollends aus der Bahn. Sie erkrankt an Krebs und flüchtet konsequent aus ihrem bisherigen Leben. Ausgebrannt, mit ihren Kräften am Ende zieht sie sich auf einen Bauernhof mit Hühnern und Hund im Leipziger Umland zurück und bricht alle Kontakte ab. Nur Richard darf in ihrem Leben im Niemandsland teilhaben, hier erinnert nichts mehr an ihre Tochter Sonja. Tabletten, ausgebeulte Jogginghosen und ein speckiger Lammfellmantel, sie lässt sich gehen und versinkt in ihrem Schmerz. Wir begleiten sie durch diese Zeit, sehen, wie sie in Depressionen verfällt, in ihrer Trauer erstarrt und sich von allem entfremdet.
Und doch kann sich Linda aus dieser Sackgasse befreien, sie findet die Kraft, ein neues Leben zu beginnen. Sie und Richard nähern sich wieder an, das Ende bleibt offen… Lindas Emotionen sind absolut nachvollziehbar und bewegen tiefgründig. Daniela Krien schafft es wunderbar, diese Geschichte einfühlsam zu erzählen, ein starker Text, so mancher Satz hat sich bei mir festgehakt. Liebe – dieses große Gefühl – in vielen Facetten in Daniela Kriens Romanen ein Thema, hier grandios verpackt. (KB)
Jetzt auch auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis, Glückwunsch!
Bei aller Liebe
Jane Campbell
Aus dem Inhalt: Eine Woche bis zur Hochzeit ihrer Tochter und Agnes beschleicht ein ungutes Gefühl: So viele Therapeut:innen unter den Gästen, wenn das mal gut geht. Sie ahnt nicht, wie recht sie hat! Da wäre zum Beispiel Onkel Malcolm, der Agnes nach dem Tod ihrer Eltern aufzog und nie den Mut aufbrachte, ihr zu erzählen, wessen Kind sie wirklich ist. Joseph wiederum ist in Agnes verliebt, seit sie vor Ewigkeiten bei ihm in Therapie war. Beide Männer haben sich vorgenommen, ihre Geheimnisse endlich zu lüften. Der größte Risikofaktor für die Hochzeit ist jedoch Agnes selbst, die sich gerade von einer intensiven Affäre erholt, von der niemand wissen soll…
Nach Campbells großartiger Geschichtensammlung „Kleine Kratzer“ folgt ihr zweites Buch, eine Geschichte mit Tiefgang, aber auch gespickt mit typisch britischem Humor. Nach Jahrzehnten drückt Onkel Malcolm das schlechte Gewissen, er muß über das schwerwiegende Geheimnis reden. Doch wie viel Wahrheit können alle Beteiligten aushalten?
“ Ich kann nicht ewig fliehen, ich sitze hier und denke beschämt über meine außerordentliche Feigheit nach. Ist es mehr als fünfzig Jahre her? Fast ein ganzes Leben… aber ich habe mich schon immer ängstlich bemüht, den Fluss des Lebens nicht zu stören, im Sinne der Beständigkeit zu handeln.“
Er übergibt den Brief von seiner Schwester am Tag des Hochzeitsfestes, löst endlich das gegebene Versprechen ein und bringt damit eine Lawine ins Rollen. Beste Unterhaltung mit einer großen Pointe am Schluss! (KB)
Ryan und Avery
David Levithan
Ich mag sehr, in welche Richtung die Jugendliteratur sich in den letzten Jahren entwickelt hat und immer noch entwickelt. „Heartstopper“ von Alice Oseman ist so ein Beispiel und David Levithan gelingt es genauso. Liebe ist das Hauptthema, so weit nichts besonderes, aber was „Ryan und Avery“ so schön macht, ist die verbindende Art der Story. Hier werden keine Klischee-Rollen bedient, nicht die x-te Geschichte darüber erzählt, wie Menschen nicht über ihre Gefühle sprechen können, Männer sich endlich öffnen, weil die dazugehörige Frau es am Ende doch schafft, durch aufopferungsvolles Dasein „die eine“ zu werden ( auch wenn er sich vorher standhaft gewehrt hat) Im Gegenteil: Es gibt in dieser Art Jugendliteratur verbindliches, zugewandtes Verhalten, ohne Selbstaufgabe. Es wird eine Geschichte darüber erzählt, wie Menschen lernen, Vertrauen zu haben, sich zu öffnen und beides belohnt wird. Natürlich gibt es auch Konflikte, aber auch die Art des Umgangs, die geschildert wird, ist konstruktiv und raumhaltend. Kein Kitsch hier, nur Frieden. Lesen! (JG)
Wer küsst wen?
Mehrdad Zaeri
Bilder-Kunst-Reise
Ist es ein Spiel? Ist es eine Geschichte? Ist es Kunst?
232 Bilder von Ausnahmekünstler Mehrdad Zaeri nehmen uns mit in eine kleine Stadt. Wir treffen unterschiedliche Menschen, finden Orte und Zusammenhänge und werden durch immer neue Einsichten und Ausblicke überrascht. Die besondere Form des Buches mit geteilten Klappseiten lädt ein zum Blättern, Entdecken und Kombinieren. Ein Traum von einem Buch, in dem man wunderbar verloren geht! (IJ)
Wir haben sogar eine Vorzugsausgabe mit Risographie am Lager ; )
Heim Schwimmen
Deborah Levy
Wir tauchen ein in ein Kammerspiel, vielschichtig und spannungsgeladen, eingepackt in acht vermeintlich idyllische Tage, die die Protagonisten in einem Ferienhaus in Nizza verbringen wollen. Aus London angereist sind der eitle Schriftsteller Joe mit Frau Isabel, einer Kriegsberichterstatterin und der 14-jährigen Tochter sowie Mitchell und Laura, ein befreundetes Ehepaar. Verschiedene Charaktere prallen hier aufeinander. Alle sind auf der Suche nach sich selbst, scheinen irgendwie heimatlos und wurden vom Leben enttäuscht. Urlaubsidylle soll es trotzdem sein – bis zu dem Moment, als Kitty auftaucht, nackt treibend im Pool der Villa. Kitty, selbsternannte Botanikerin und Verfasserin lyrischer Texte, nistet sich ungefragt im Haus ein und jetzt hat keiner mehr Ruhe vor ihr! Sie entblättert alle, bis sie buchstäblich nackt sind, so wie Kitty, die sie aus dem Pool gezogen haben…
Zwischen den Zeilen bleibt Raum für Nachdenkliches, trotzdem eine perfekte Sommer-Lese-Empfehlung (KB)
Das Buch der Schwestern
Amelie Nothomb
Trocken, sachlich, teils befremdlich – ganz im gewohnten Stil von Nothomb, die in ihren Geschichten oft psychologische Themen verpackt. Dieses Buch hat einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann!
Erzählt wird die Liebesgeschichte von Nora und Florent, diese Liebe ist ausschließlich und duldet nichts anderes neben sich. Daran ändert auch die Geburt ihrer Tochter Tristane nichts. Tristane spielt eine Randfigur, in ihrer Kindheit erfährt sie keinerlei Wärme, Zuneigung und Zuwendungen seitens ihrer Eltern. Sie fühlt sich ausgeschlossen, weggesperrt. Soziale Kontakte bekommt sie nur in der KITA , der Vorschule und in der Familie ihrer Tante Bobette. Sie lernt, zu funktionieren.
Diese emotionale Vernachlässigung hinterläßt Spuren, läßt ihr Herz beinahe verhungern.
Die Geburt ihrer Schwester Laetizia gibt ihrem Leben einen neuen Sinn, wir werden Beobachter einer außergewöhnlichen Familienkonstellation. Die Liebe, die Tristane nie erfahren hat, gibt sie an die kleine Schwester weiter. Ein ungleiches Geschwisterpaar, eine unzerstörbare Einheit, ein bedingungsloses Miteinander.
Wir folgen der gemeinsamen Zeit der Schwestern bis zu dem Moment, wo Tristane endlich ausbricht und ihr eigenes Leben versucht… (KB)
Die Zeit der Zikaden
Moritz Heger
Auf der Feier begegnet sie Johann, einem Bestattungsunternehmer, der bereits zu Depressionen neigt und aus seinem alten Leben aussteigen will. Ganz gelegen kommt ihm ein geerbtes Rustico in Ligurien, dort möchte er malen und seine Lebensfreude wiederfinden. Spontan lädt er die lebenslustige Alex ein, die dann auch mit ihrem Haus auf Rädern unter alten Olivenhainen ankern wird. Zwei Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen aufeinander. Für beide ein mutiger Aufbruch…
Die Mitternachtsbibliothek
Matt Haig
Buchbesprechung von Christin Jutzi
Dry
Neal Shusterman
Ein spannendes Buch, das mich nicht mehr losgelassen hat, sehr aufrüttelnd und angsteinflößend! Es zeigt, wie der Mensch in Krisensituationen handelt und wie jegliche Zivilisation aufgrund einer ausartenden Dürre zusammenbricht. Mich hat der Schreibstil direkt angesprochen und für ein tolles Leseerlebnis gesorgt, das auch hoffentlich nur genau das bleibt. Nach Beenden des Buches mußte ich erst einmal einen großen Schluck Wasser trinken, den ich sehr geschätzt habe. Eine große Leseempfehlung! Realistisch, emotional und spannend, mit interessanten Charakteren.
Buchbesprechung von Jule, unserer Praktikantin
Cryptos
Ursula Poznanski
„Cryptos“ ist ein sehr spannender und fesselnder Thriller, der zum Nachdenken anregt. Er ist sehr aktuell und die Auswirkungen der Klimakrise werden einem in dieser Zukunftsversion sehr bewusst gemacht. Die Vorstellung mit den alternativen Realitäten sind sehr spannend aber auch abschreckend. Was passiert, wenn sich alle vor der Realität drücken?
Buchbesprechung von Jule, unserer Praktikantin
Tschick
Wolfgang Herrndorf
Es ist schon eine Weile her, dass ich „Tschick“ gelesen habe, dennoch ist da ein besonderes Gefühl, wenn ich den Roman sehe. Ein sehr berührendes Buch, das in moderner Sprache geschrieben ist und gerade dadurch so besonders und humorvoll ist. Ein empfehlenswertes Buch für jung und alt!
Buchbesprechung von Jule, unserer Praktikantin
Das Schicksal ist ein mieser Verräter
John Green
Ein sehr emotionales und schönes Buch! Es ist wunderschön geschrieben und fesselt einen von der ersten Seite an. Das Buch erzählt von einer unglaublich schönen Liebesgeschichte zweier junger Menschen, deren Schicksal ungewiss ist. Ein Buch zum Lachen und Weinen, das mich sehr berührt hat.
Buchbesprechung von Jule, unserer Praktikantin
Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne
Sasa Stanisic
Sasa Stanisic führt uns an Orte, an denen das auf einmal möglich ist: den schwierigeren Weg zu gehen, eine unübliche Wahl zu treffen oder die gute Lüge auszusprechen. So wie die Reinigungskraft, die beschließt, mit einer Bürste aus Ziegenhaar in der Hand, endlich auch das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. So wie der Justiziar, der bereit ist, zu betrügen, um endlich gegen seinen achtjährigen Sohn im Memory zu gewinnen. So wie der deutsch-bosnische Schriftsteller, der zum ersten Mal nach Helgoland reist, nur um dort festzustellen, dass er schon einmal auf Helgoland gewesen ist…
In zwei Zugfahrten habe ich das Buch eingeatmet, hätte mir aber vielleicht mehr Zeit lassen sollen. Es ist (k)eine Kurzgeschichtensammlung, ein sehr gut durchkomponiertes Komponenten-Ganzes. Lesen Sie also, wie vom Autor empfohlen, von vorn nach hinten. Mehr möchte ich gar nicht sagen, außer: Stanisic macht sich alle Ehre. Große Empfehlung! (JG)
Die Horde im Gegenwind
Alain Damasio
Das ist mit Abstand das beste Buch, das ich in diesm Jahr gelesen habe. Ein hoch philosophischer, sprachgewaltiger, öffnender Roman. Ich habe nie etwas Vergleichbares gelesen. Das ist was für Fantasyliebhaber:innen, genauso wie für Abenteuergeschichtenleser:innen. Und für alle anderen auch. Nicht gerade leicht, aber dafür um so beeindruckender. Bitte lesen und genießen Sie jeden Satz! (JG)
Weltalltage
Paula Fürstenberg
Schreibend und ordnend nähert sich die Protagonistin dem Unsagbaren, Unsortierbaren an. Mit Humor betrachtet sie, worüber nicht zu lachen ist. Eine Körpererfahrung! (JG)
Every Day Letztendlich sind wir dem Universum egal Graphic Novel
David Levithan
Ich fand das Buch sehr spannend, weil man sich fragt, welche Person wird A am nächsten Tag sein, wird sich sein Charakter auch verändern? Können A und Rhiannon es zusammen schaffen, es akzeptieren, so, wie es ist oder können sie diese Veränderungen nicht aushalten?
Das Buch ist was für Jugendliche, die gerne Comic´s und Fantasy-Literatur lesen.
(vorgestellt von unserer Schul-Praktikantin Sunya)
Ich stelle mich schlafend
Deniz Ohde
Nach einem Reitunfall wird sie in einer Reha-Klinik behandelt und erhält eine Diagnose, die ihr Leben kolossal verändern wird. Yasemin hat Skoliose und ihr Körper wird in ein Korsett gepresst. Sie zieht sich zurück, geprägt von Schamgefühlen und trennt sich von Vito. Zunächst kann Yasemin keinerlei Berührungen mehr ertragen, stürzt sich aber bald in flüchtige Abenteuer. Dann trifft sie auf den jungen Hermann, der sie erdet und ihre Liebe nicht zum Tauschgeschäft macht. Zwanzig Jahre später begegnen sich Yasemin und Vito erneut und schlittern in eine toxische Beziehung, denn Vito ist immer noch manipulativ, gewaltbereit und lebensuntüchtig. Nach einer aufreibenden Trennung findet Yasemin einen Weg für sich, ihren verwundeten Körper und ihre versehrte Seele zu heilen.
Lange nachhallende Sätze, ein tiefes Eintauchen in Yasemin´s Gefühlswelt, ein überwältigendes Buch (KB)
Das unsichtbare Band
Haneen Al-Sayegh
hr2-Kultur Buchtipp vorgestellt von Ingeborg Jakobi
Und alle so still
Mareike Fallwickl
Claire Keegan
Reichlich spät
Ein weiteres Lese-Highlight der großartigen Erzählerin!
Diese dicht erzählte Kurzgeschichte hat es in sich: Dublin im Sommer, ein Paar lernt sich kennen, kommt zusammen und plant eine gemeinsame Zukunft, jedoch- sie scheitern. Die anfängliche Harmonie bekommt Risse, Cathal ist sehr schnell von Sabine enttäuscht. Sie nimmt nach dem Zusammenziehen zu viel Raum in seiner Welt ein, sie gibt leichtfertig zu viel Geld aus, kurz, sie passt nicht in sein Leben: “ Das war ein Teil des Problems, dass sie nicht hören konnte und gut die Hälfte der Dinge auf ihre Weise tun wollte.“
So behutsam, wie die Geschichte startet, so heftig entwickelt sie sich. Cathal hat reichlich emotionale Defizite, sein patriacharliches Frauenbild prägt ihn seit Kindertagen. Ein bewegendes Bild zum Thema Frauenfeindlichkeit in der heutigen Zeit, intensiv, einnehmend und meisterhaft erzählt, ein kleines Bändchen mit immenser Kraft, die Botschaft steckt zwischen den Zeilen, gerade das Unausgesprochene wirkt nach. Der Text gewinnt tatsächlich durch das, was nicht erzählt wird.
Zu Recht wird der wunderbaren irischen Schriftstellerin Claire Keegan im Herbst der Siegfried-Lenz-Preis verliehen. (KB)
Karen Köhler
Himmelwärts
für junge Leser:innen ab 10 Jahren
In einer sternenklaren Sommernacht funken Toni und ihre beste Freundin YumYum mit ihrem selbstgebastelten kosmischen Radio in den Himmel, um Kontakt zu Tonis verstorbener Mutter aufzunehmen. Toni hat große Vermissung und Weltallexpertin YumYum hat Experimentierlust. Bestens ausgerüstet- vor allem mit Snacks- erleben beide eine Nacht voller Überraschungen. Denn statt der Mutter antwortet ihnen Astronautin Zanna von einer Raumstation. Mit ihr philosophieren sie über das Dasein und die Sehnsucht, aber vor allem über das großartige Leben auf dem Planeten Erde, das uns so viel Trost und Freude schenkt.
Ein zutiefst kluges, warmherziges Buch. Karen Köhler ( mit „Miroloi“ 2019 auf der Longlist Deutscher Buchpreis) schreibt sich mit ihren Worten tief ins Herz ein, ihre Bücher nisten sich ein und erzeugen beim Erinnern ein warmes Gefühl im Bauch, das mir immer wieder sagt: Auch im Schwierigen liegt Schönheit. Das ging mir bei „Miroloi“ so und „Himmelwärts“, ihr erstes Kinderbuch, schließt sich nahtlos an. (JG)
Yorick Goldewijk
Cato und die Dinge, die niemand sieht
für junge Leser:innen ab 10 Jahren
Es gibt Momente im Leben, die möchte man unbedingt noch einmal erleben. Und es gibt Momente im Leben, die möchte man ungeschehen machen. Beides ist unmöglich, denkt Cato, bis sie eines Tages eine Visitenkarte auf dem Klavier ihres Vaters findet: „Filme, die nirgends laufen, die du aber schon immer sehen wolltest“, steht darauf. Die Adresse führt Cato zu der mysteriösen Frau Kano, die in ihrem Kino besondere Zeitreisen anbietet. Hat Cato vielleicht die Möglichkeit, zum ersten Mal ihre Mutter zu treffen? Auf der Suche nach der Wahrheit begibt sie sich auf eine gefährliche Reise durch Zeit und Erinnerungen, bis sie vor einer Entscheidung steht, die ihr Leben für immer verändern wird.
„Cato und die Dinge, die niemand sieht“ ist ein sehr berührendes Buch, das mit Leichtigkeit, Witz und Spannung von schwierigen Themen erzählt. Hier kommt eine Fantasy-Komponente hinzu, die das Buch aber nicht weniger nahbar macht. Im Gegenteil, vielleicht ist es genau die Fantasie, die hier den Ausschlag für eine fühlbare Auseinandersetzung mit dem Thema Trauer gibt. Wie immer bei guten Kinderbüchern, gibt es auch hier eine klare Leseempfehlung für Erwachsene. (JG)
Mirrianne Mahn
Issa
Eigentlich will Issa diese Reise gar nicht antreten. Schwanger sitzt sie im Flugzeug nach Douala, angetrieben von ihrer Mutter, die bei der bevorstehenden Geburt um das Leben ihrer Tochter fürchtet. In Kamerun, dem Land ihrer Kindheit, soll sie den heilsamen Weg der Rituale gehen, unter den Adleraugen ihrer Omas. Doch so einfach ist das alles gar nicht, wenn man in Frankfurt zu schwarz und in Buea zu deutsch ist. Der Besuch wird für Issa eine Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte und der Gewissheit, dass sowohl Traumata als auch der unbedingte Liebes-und Lebenswille vererbbar sind.
Zitat :
“ Ich muss mich nicht zwischen meinen Wurzeln, meiner Herkunft und meinem Leben in Deutschland entscheiden. Die Kulturen, die in mir pulsieren, die Sprachen, die meine Seele umarmen, sie alle sind ein Teil von mir. Ich bin sowohl deutsch als auch kamerunisch. Ich bin mehrsprachige Hymnen auf Hochzeiten und Beerdigungen. Ich bin nicht weniger wert als ein Mann, meine Stimme und meine Träume sind wichtig, den in meiner Weiblichkeit liegt eine Kraft, eine Verbindung zu all den Frauen vor mir.“
„Issa“ öffnet (Wissens)Räume, entwirrt Verworrenes und vor allem: Schafft Verbindungen. LESEN! (JG)
Valerie Fritsch
Zitronen
Der kleine August Drach erlebt eine Kindheit voller Demütigungen und Prügel vom Vater und einer mit sich selbst beschäftigten Mutter, die wegsieht. Auch die Lehrer und die Nachbarn sehen weg, wenn August mit blauen Flecken erscheint. Es ist kaum auszuhalten- schockierend, schonungslos, tragisch! Als der Vater über Nacht verschwindet gibt es ein leichtes Aufatmen. Nur kurz, denn die Mutter verwandelt sich, sieht plötzlich in ihrem unaufgeregtem Leben einen neuen Sinn. Hier greift ihre Krankheit: Das Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom! Sie wird zur Trösterin und Pflegerin, schenkt Liebe und Aufopferung- durch neue Grausamkeiten. August wird mit unnötigen Medikamenten vollgestopft und dadurch ans Bett gefesselt. Er ist noch zu klein, um zu verstehen. Mit Hilfe des Dorfarztes gelingt ein kleiner Ausbruch, ein sorgenfreier Sommer am Meer aber ist zu kurz. Denn auch der Arzt erkennt und schweigt! Lebenslang werden die Spuren der Misshandlungen bleiben. Obwohl August sein Dorf verlässt, Arbeit findet und tatsächlich eine große erfüllende Liebe, ist es zu spät, er kann dem Leben nur hilflos gegenüber stehen.
Sprachgewaltig, keine leichte Kost bis zu einem Ende, das, wie erwartet, auch nur tragisch sein kann. (KB)
Alex Capus
Das kleine Haus am Sonnenhang
„Eine kleine Philosophie der Gelassenheit und des stillen Glücks: Alex Capus erzählt eine persönliche Geschichte über die Liebe zur Literatur und ein Leben im Einklang mit sich selbst“
Wer es nostalgisch mag, der ist hier genau richtig: Eine Zeit, in der es noch keine Handys gab, dafür einen Postboten, der die Briefe austrägt. An der Tankstelle wird noch persönlich bedient und rauchende Männer finden sich allabendlich in der einzigen Kneipe im Dorf. Warum also etwas ändern, wenn es doch so perfekt ist! Capus ist ein Gewohnheitsmensch und hält an dem fest, was ihm gefällt. Zu gerne möchte man im Sommer mit ihm und seinen Freunden in seinem Haus im Piemont verweilen, ihm zuhören, wenn er vom eigenen Leben erzählt und seinem Leben als Schriftsteller. Glück paart sich mit Gelassenheit. Gelungen, obwohl nicht viel passiert. Ungern verlässt man mit Capus die Idylle am Sonnenhang, als sich ein Siebenschläfer einnistet und der Ofen gestohlen wird. Nicht schlimm, ich freue mich auf ein neues Lieblingsbuch von Alex Capus und ich bin mir sicher, es wird gelingen. (KB)
Gerbrand Bakker
Der Sohn des Friseurs
Nicht nur im Friseursalon „Chez Jean“ scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, auch in Simon´s Leben. Er führt ein ruhiges, für sein Alter eher langweiliges Leben, ihm genügen ein paar wenige Kunden, eine funktionierende Espressomaschine und regelmäßige Besuche im Schwimmbad. Die Mutter mischt sich gerne übergriffig in seine Lebensführung ein, erst ein schriftstellernder Stammgast bringt endlich Schwung in sein Leben, er weckt Simon´s Interesse am Verbleib seines Vaters. Der Vater hat sich noch vor Simon´s Geburt aus seinem Leben geschlichen und ist in ein Flugzeug gestiegen. Sein Name stand auf der Passagierliste, aber ist er tatsächlich in der abgestürzten Maschine gewesen? Es gab nie eine Trauerfeier oder einen Gedenkstein. Die Mutter verweigert jegliche Antworten, nur der Großvater unterstützt Simon´s Bemühungen. Was sind die wahren Beweggründe? Simon beginnt eine zaghafte Recherche und recht schnell kommt Bewegung in die Geschichte…
Ein leicht zu lesender Roman, mit sprachlichem Witz, eine Geschichte die sich eigentlich von selbst erzählt. Es geht um Aufbrüche, freiwillig oder unfreiwillig, um Sehnsucht, Unverstandensein und Einsamkeit und wie notwendig es durchaus sein kann ausgetretene Pfade zu verlassen.(KB)
Ocean Vuong
Auf Erden sind wir kurz grandios
Ein seltenes Beispiel für einen Briefroman, er zeigt die poetische Natur von Briefen. Der Protagonist schreibt Briefe an seine vietnamesische Mutter, die kein Englisch lesen kann, in denen er verborgene Seiten von sich preisgibt und auf eine rätselhafte, aber fast süchtig machende Weise die Abgründe seiner Vergangenheit erforscht. Durch eine poetische Linse erfährt der Leser von dunkelsten Seiten aus Little Dogs Leben, die bipolare Störungen, Rassismus und generationenübergreifende Traumata umfassen. Hierbei kommen oft Lücken auf, die den Leser zwingen, das Buch so zu interpretieren, wie er die Zusammenhänge sieht. Poetisch, persönlich und emotional- man kann in der Hoffnung, die Zeitlinie zu verstehen, das Buch nicht aus der Hand legen- wobei jedes Fragment seines Lebens, das enthüllt wird, einen weiteren Hauch von Ambiguität hinterlässt.
( gelesen und rezensiert Josefine Adler, Praktikantin im Ulenspiegel )
Rebecca F. Kuang
Babel
Ein herausragendes Beispiel für Dark Academia! Das Buch entfaltet seine Geschichte im Oxford des 19. Jahrhunderts und präsentiert dem Leser eine sorgfältig ausgearbeitete Welt, die zum Eintauchen gemacht ist. Die Charaktere sind allesamt komplex und vielschichtig, was durch in die Handlung eingeschobene Kapitel, welche ihre Hintergrundgeschichte erläutern, veranschaulicht wird. Sie sorgen für eine facettenreiche Erzählung, die sich sogar auf historische Ereignisse konzentriert. Das Buch ist wirklich atemberaubend geschrieben und das Springen von grammatikalischen Fakten zu aufregenden Handlungspunkten ermöglicht ein abwechslungsreiches und fesselndes Leseerlebnis.
( gelesen und rezensiert Josefine Adler, Praktikantin im Ulenspiegel )
Patricia Weise
Niemals wieder Habibi
Das Buch fesselt den Leser durch eine persönliche und emotionale Sicht auf eine missbräuchliche Beziehung und erforscht die kulturellen Unterschiede, die zu Problemen innerhalb einer Partnerschaft führen. Durch eine Fülle von unterschiedlichen Ereignissen wachsen dem Leser die vielen lebenslustigen Charaktere ans Herz und er fiebert mit der Protagonistin mit, dich sich zahlreichen Herausforderungen stellen muss. Im Laufe des Buches wächst die Sympathie des Lesers immer mehr, während er die Jahre des Lebens der Protagonistin miterlebt. Die Handlung reist quer über den Globus und man fragt sich oft, wie Cassandra ihr Happy End noch erreichen wird, wobei eine aufregende Spannung entsteht, da ein Ereignis nach dem anderen in den Bereich des Unmöglichen zu rücken scheint.
( gelesen und rezensiert Josefine Adler, Praktikantin im Ulenspiegel )
Dominika Meindl
Selbe Stadt, anderer Planet
Johanna kehrt in ihre alte Heimat nach Hallstadt zurück, sie übernimmt die Praxis ihres verstorbenen Vaters nebst einem alten Haus mit viel Krempel und einem alterschwachen dicken Hund. Sie entdeckt die Natur und die faszinierende Bergwelt neu für sich und kommt ihrer Zwillingsschwester wieder näher, die das idyllische Salzkammergut nie verlassen hat. Genau beobachtet sie die Veränderungen : Hallstatt als Kulisse für Massentourismus, zerrissen zwischen Abverkauf und Authenzität. Gleichzeitig taucht ein chinesischer Strategieberater und Tourismusexperte mit einem besonderen Auftrag im Gepäck auf. Die Chinesen sind verrückt nach dieser Landschaft und den Traditionen – warum also sollte es nicht gelingen, eine originalgetreue Kopie, eine nachgebaute Stadt im fernen Asien zu errichten? Alles ist möglich, inklusive Dirndlverleih, Blasmusik und zeitgemäß optimierten Heiligenfiguren in der Kirche. Mit einem Hofbräu oder einem Verlängerten schmackhaft gemacht, bedient wird in Lederhosen und Trachtenhemd.
Johanna und ihre Zwillingsschwester werden nach China reisen um all die Wunderlichkeiten unter Palmen zu sehen…
Ein spannender Ansatz, reichlich Stoff zum Nachdenken: Wer ist Gewinner oder Verlierer dieses Projekts, was passiert mit den Alteingesessenen und was sind die Folgen dieses Overtourism?
Humorvoll, kritisch, ein sprachlich gutes Buch aus dem PICUS Verlag, der vor allem durch seine Reihe Lesereisen bekannt ist. (KB)
Fuminori Nakamura
Die Flucht
Klappentext: Kenji Yamamine kommt in den Besitz der legendären Teufelstrompete des Komponisten Suzuki. Ihr wird die Macht zugeschrieben, Menschen zu begeistern und zu fanatisieren. Bei Recherchen auf den Philippinen trifft Kenji die junge Anh. Sie verlieben sich, Anh folgt ihm nach Tokio, wo sie gewaltsam stirbt. Neben der Trauer um Anh wird Kenji von einer rätselhaften religiösen Sekte verfolgt, die die Trompete für ihre Zwecke nutzen will. Was Kenji noch bleibt, ist das Rätsel der Trompete zu lösen und sich mit der Welt in Liebe zu versöhnen.
Krimi? Roadmovie? Liebesgeschichte? Geschichtsbuch? Ja, alles zusammen. Nakamura nimmt uns mit auf eine hochspannende Tour de Force durch japanisch-vietnamesische Geschichte, gespickt mit Gesellschaftsanalysen und Gesellschaftsbetrachtungen, sprachlich unterkühlt und distanziert, und endet doch fast versöhnlich. Ein cooler Pageturner, der einen bis zur letzten Seite atemlos hält. (IJ)
Fang Fang
Glänzende Aussicht
Klappentext: Dieser heute in China unterdrückte Roman machte Fang Fang bei seinem Erscheinen schlagartig berühmt: Glänzende Aussicht erzählt das Leben einer einfachen Arbeiterfamilie aus Wuhan aus Sicht des verstorbenen jüngsten Sohnes. Es ist ein drastisches Porträt: Zu elft haust die Familie in einer dreizehn Quadratmeter kleinen Hütte. Schon die Jüngsten stehlen, um ihren Beitrag zum Familienleben zu leisten, Schlägereien sind an der Tagesordnung und zärtlichere Töne rar. Im Schatten eines Vaters, der vor allem mit der Faust erzieht, versuchen die neun Brüder und Schwestern auf je eigene Weise, den Fesseln ihrer Herkunft und den Nachwehen der Kulturrevolution zu entkommen und eine bessere Zukunft zu finden.
Nach „Weiches Begräbnis“ und „Wütendes Feuer“ erschien nun zuletzt Fang Fangs eigentlich frühester Roman. Auf so wenigen Seiten soviel Elend, Härte und Geschichte- unglaublich! Großartig und ungeheuer ist die Erzählperspektive: Sohn Acht, der nur zwei Wochen alt wurde und all dies Elend nicht selbst erleben musste, erzählt die Geschichte seiner Eltern, seiner sieben Brüder und zwei Schwestern. Auch wenn wir mittlerweile allerhand wissen über China, es gibt noch zu vieles, was unbekannt ist. Fang Fang lässt einen mit diesem neorealistischen Werk, einer Aufklärung im wahrsten Sinne des Wortes, sprachlos zurück. Erschütternd und grandios. (IJ)
Der Fall Miriam Behrmann
Lydia Lewitsch
Klappentext: Miriam Behrmann, anerkannte Professorin und Leiterin eines Instituts an der Universität Wien, wird angeklagt wegen eines angeblichen psychischen Missbrauchs gegenüber ihrer Doktorandin- sogar die Medien berichten darüber. Denn der Fall hat Wellen geschlagen, seit ihrer Gründung hat die Universität Wien noch nie einen Professor oder eine Professorin entlassen. In atemlosen Gedankenketten rekapituliert Miriam Behrmann, wie dieser Vorwurf bei Selina Aksoy, ihrer jungen, türkischstämmigen Doktorandin hat entstehen können…
Eine durchaus reale Handlung im Universitätsbereich, und doch erschreckend allgemeingültig und übertragbar auf viele Arbeitsverhältnisse. Philosophische Diskurse lösen poetische Erinnerungen ab. Lewitsch schreibt in traumhaft schönen Worten, kaum zu glauben, dass dies ihr Debüt ist.
Ein großartiger Roman, der viele Denkanstöße bereithält. (IJ)
Heilung
Timon Karl Kaleyta
Ein dubioses Spa, ein entkräfteter Mann und die Frage, was es heute bedeutet glücklich zu sein.
Ein Mann kann nicht mehr schlafen. Mit den Kräften am Ende, fürchtet er, alles zu verlieren: seine Ehe, seinen Status, das Leben. Seine Frau Imogen schickt ihn ins San Vita, ein mysteriöses Nobelressort in der verschneiten Stille der Dolomiten. In Obhut von Prof. Trinkl soll er dort zu sich selbst finden. Doch er sträubt sich aus Angst, sich in die Seele schauen zu lassen. Und zu Recht: Trinkl verspricht ihm zwar Heilung, flüstert ihm aber ein in der Vergangenheit begründetes Unbehagen ein, das die Ursache seiner Probleme sein soll. Verängstigt und doch voller Hoffnung flieht der Mann zu seinem besten Freund aus Kindertagen. Und ahnt noch nicht, wie weit er gehen muss, um endlich von allem geheilt zu werden.
„Heilung“ läßt sich wohl auch mit Humor lesen, aber ganz kommt man an dem nicht vorbei. Es bleibt ein bedrückendes Gefühl. Klug ist es auf jeden Fall gemacht, und wenn man denn Lehren ziehen möchte aus Büchern, kann man sich hier reichlich bedienen. Ein Roman über das Verloren-Sein und Sich-nicht-Wiederfinden. Heftig, grotesk, alarmierend. Großartig. (JG)
Der ehrliche Finder
Lize Spit
Klappentext: Seit er vor einem Jahr in Bovenmeer angekommen ist, sitzt Tristan in der Schule neben Jimmy, der klüger und einsamer ist als alle anderen und es sich zur Aufgabe macht, Tristan Ibrahimi durch das Schuljahr zu begleiten. Denn der hat nicht nur einen Krieg erlebt und eine Flucht durch ganz Europa, sondern er hat auch das, wonach Jimmy sich am meisten sehnt: eine intakte Familie, die Halt und Geborgenheit gibt.
Gemeinsam bauen sie sich ihre eigene Welt, in der Freundschaft möglich ist. Bis jemand eine Entscheidung trifft, die nicht nur ihre Welt gefährdet und Jimmy und Tristan alles abverlangt …
Berührend aus der kindlichen Perspektive von Jimmy erzählt, der ein Außenseiter und ein Einzelkämpfer ist aber auch ein schlauer Bursche mit einem großen Herz. Angelehnt an eine wahre Geschichte tauchen wir in die so verschiedenen Welten der Kinder ein. Freundschaft, Mitmenschlichkeit, Solidarität und Hilfsbereitschaft stehen Traumatisierung und Enttäuschungen gegenüber. Liz Spit schafft, es intensiv und lebendig zu schildern, kindliche Naivität und gnadenlose Realität stehen sich gegenüber. Ein nachdenkliches Buch dem man sich nicht entziehen kann. (KB)
Mein Name ist Estela
Alia Trabucco Zeran
Klappentext: Sieben Jahre hat Estela im Haus der fremden Familie gelebt, hat tagein, tagaus für sie gesorgt. Die karierte Schürze ist zu einer zweiten Haut geworden, die Kammer neben der Küche zu ihrer Zelle. Doch sie ist nicht die einzige Gefangene des Hauses: Im leeren Blick des Mädchens sieht Estela ihre Einsamkeit gespiegel. Jeder Versuch von Intimität zwischen Angestellter und Kind zerschellt an der ehrgeizigen Mutter und dem autoritären Vater, an der Brutalität der Verhältnisse. Auf engsten Raum ringen vier Menschen ums Überleben und rasen doch unausweichlich auf eine Katastrophe zu …
Ein eindringlicher Roman über chilenische Klassenverhältnisse, ein Kammerspiel – man kann sich nicht entziehen, nicht weghören, denn Estela bekommt endlich eine Stimme. Sie sitzt in einem Verhörraum im Gefängnis und erzählt ihre Geschichte, dramatisch und ehrlich. Ist sie verantwortlich für den Tod der siebenjährigen Julia?
Die ungewohnte Erzählform fasziniert, jedes erzählte Detail ist wie ein Puzzlestück, das am Ende zusammengefügt wird. Die Mischung aus Krimi und Gesellschaftskritik fesselt bis zur letzten Seite. (KB)
Acqua Alta
Isabelle Autissier
Venedig steuert unausweichlich auf eine Katastrophe zu… Touristen verstopfen die Straßen, Wohnhäuser und Palazzi werden Luxushotels, Kreuzfahrtschiffe kommen und der Klimawandel zerstört das Ökosystem in der Lagune.
Mittendrin lebt Familie Malegatti, sehr privilegiert mit unterschiedlichen Lebensansichten.
Sie verkörpert vertretend die verschiedenen Positionen der Venezianer.
Guido, der Vater stammt aus einfachen Verhältnissen, ist durch Immoblienspekulation reich geworden und schafft den Sprung in den Stadtrat durch die Heirat mit einer einflußreichen Frau. Seine Frau Maria Alba jedoch schwelgt in der vergangenen Pracht Venedigs und führt ein oberflächliches Leben, fernab der Realität. Die Tochter Lea studiert Architektur, agiert hitzköpfig und schließt sich resoluten Umweltschützern an. Die Geisterinsel Poveglia wird besetzt und man demonstriert gegen Massentourismus und Profitgier.
Das Hochwasser steigt immer öfter, um so mehr setzt sich Guido für sein Vorzeigeprojekt MOSE ein, dieses milliardenteure Wasserbollwerk soll die Stadt durch Fluttore schützen, die bei Hochwasser den Zugang von der Adria zur Lagune verschließen.
Aber es kommt zur Katastrophe, der Leser erlebt den fiktiven Untergang Venedigs. Und doch könnte es tatsächlich passieren, dass die Lagunenstadt eines Tages wirklich nicht mehr strahlendes UNESCO-Welterbe ist, sondern von den Wassermassen eines letzten Acqua Alta verschlungen wird. Aufrüttelnd und nachdenklich (KB)
Einige Herren sagten etwas dazu
Nicole Seifert
Sieh´da, die „Gruppe 47“, irgendwie immer unantastbar, ist eine Medaille mit zwei Seiten. Frau Seifert gibt uns eine weibliche Literaturgeschichte, in der all die Frauen wieder ans Licht gebracht werden, die bislang in der Unerkanntheit versunken waren. Die kurzen Ausschnitte aus den Romanen und Erzählungen laden zum Weiterlesen und Kennenlernen der verkannten Autorinnen ein. Wer kennt Ruth Rehmann, die tatsächlich mit Günther Grass in einem Atemzug genannt wurde? Eine lohnende Lektüre, um den eigenen Horizont zu erweitern, vergessene Autorinnen kennenzulernen und zum Nachdenken anzuregen, inwieweit immer noch eine Diskrepanz zwischen „männlicher“ und „weiblicher“ Literatur besteht und ob das so sein müsste. (IJ)
Wo Milch und Honig fließen
C. Pam Zhang
Diese Dystopie ist gar nicht so weit von der Realität entfernt, wie man sich das so wünschen möchte. Und nein, unterhaltsam ist der Roman nicht, aber ein Genuß in sprachlicher und inhaltlicher Hinsicht. Die ethisch-moralische Betrachtung von Luxus und Armut, Gier und Verzicht, innovativer Wissenschaft und Ausbeutung oder Vorteilnahme ist absolut lesenswert. (IJ)
Kerbholz
Carl Nixon
Zitat: Das Auto mit den drei schlafenden Kindern verließ die Erde…
Hinab auf die Wipfel der Bäume. Hinab auf das zwischen den Felsbrocken entlangrauschende Wasser.
Der Zukunft entgegen…
Nixon nimmt den Leser mit an die Westküste Australiens. Die Chamberlains erkunden ihre neue Heimat in einem Mietwagen als es zu dem schrecklichenUnfall kommt.
Drei der Kinder überleben, verletzt und orientierungslos werden sie von einem Hippie entdeckt, der sie zu seiner Frau auf eine heruntergekommene Farm bringt. Dort werden die Kinder zunächst umsorgt und gesund gepflegt, alsbald müssen sie jedoch unter schlimmsten Bedingungen mit anpacken, sie sollen „ihre Schulden abarbeiten“.
Jedes der Kinder reagiert anders auf diese neue Lebenssituation fernab jeglicher Zivilisation und der Geborgenheit in einer Familie, entwickelt eigene Strategien. Eine Tante der Kinder wird jahrelang nach ihnen suchen und findet erst bei ihrer letzten Reise erste Anhaltspunkte.
Nach 300 Seiten scheint alles aufgelöst…
Nixon erzählt auf eine stille Art und Weise , nichts wird dramatisch geschildert, die Beschreibungen der ungezähmten aber auch schönen Natur ergänzen. Er lässt den Leser mit einer Frage zurück: Wie kann sich ein Mensch in besonderen Lebensmomenten anpassen oder eben nicht.(KB)
Das Geräusch einer Schnecke beim Essen
Elisabeth Tova Bailey
Perfekt für schwierige Zeiten
Durch eine Virusinfektion ist die Journalistin Elisabeth Bailey nahezu bewegungsunfähig ans Bett gefesselt und auf fremde Hilde angewiesen. Von einer Freundin bekommt sie ein wunderbar tröstendes Geschenk. Die Freundin hat Veilchen aus dem Wald mitgebracht, zunächst unentdeckt hat eine kleine Schnecke indem Blumentopf ihr Zuhause gefunden.
Das Erscheinen dieses Tierchens hilft der Protagonistin über lange Monate hinweg ihre krankheitsbedingten Grenzen zu akzeptieren und motiviert sie zum Durchhalten. Bailey schenkt dieser Schnecke pausenlose Aufmerksamkeit, sie ist fasziniert und beschäftigt sich mit der Biologie dieser Spezies. Davon kann auch der Leser profitieren und allerhand Wissenswertes über die Gattung der Schnecken dazulernen.
In neuer Auflage, versehen mit schönen Zitaten und Bildern, ein leiser, zarter Text.
Perfekt für schwierige persönliche Momente – eine andere Entdeckung der Langsamkeit (KB)
Diamantnächte
Hilde Rod-Larsen
Beschreibung des Verlages
Agnete hat die Kontrolle. Die Tage folgen einem festen Rhytmus, sie hat einen guten Job, ihr Körper tut, was man ihm sagt. Sie ist zum zweiten Mal verheiratet und hat eine Tochter, die bald erwachsen sein wird. Doch dann fallen Agnete die Haare aus.
Eines Herbstmorgens fährt ihr Mann ins Ausland und kommt erst nach Weihnachten zurück. Agnete findet die Ruhe, um nach Worten für das zu suchen, was ihr Körper ihr schon seit einiger Zeit zu sagen versucht.
Sie versucht, sich als junge Studentin in London wiederzufinden. Wie sehr sie sich danach sehnte, gesehen zu werden und wie sie sich in jenen Jahren in eine Dunkelheit verirrte, die sich als Licht tarnte.
In Diamantnächte geht es um Täuschung und Selbstbetrug, psychologische Verletzlichkeit, toxische Beziehungen, die allmähliche Erkenntnis von Wahrheit und Lüge. Es geht um die Enttarnung der Geschichten, die wir uns selbst erzählen und um die Frage, die so viel machtvoller ist, als wir glauben: Wie geht es dir eigentlich?
Nach dem Lesen musste ich einen Moment still dasitzen und verarbeiten. Ein Buch, das den zutiefst persönlichen und auch gesellschaftlichen, vielleicht im Besonderen auch weiblichen Konflikt zwischen Gesehen-werden-Wollen und Nicht-gesehen-werden-Wollen bzw. Gesehen-Werden und Nicht-gesehen-Werden ans Licht bringt.
Ein Augenöffner für alle Menschen, die Kontaktpunkte haben mit Anorexie, Missbrauch und großem Leid, egal in welcher Form es sich zeigt. Wunderschön geschrieben! Es trifft tief! (JG)
Lichtungen
Iris Wolff
Beschreibung des Verlages
Zwischen Lev und Kato besteht seit ihren Kindertagen eine besondere Verbindung. Doch die Öffnung der europäischen Grenzen weitet ihre Lebensentwürfe und verändert ihre Beziehung für immer. Voller Schönheit und Hingabe erzählt Iris Wolff in ihrem großen neuen Roman von zeitloser Freundschaft und davon, was es braucht, um sich von den Prägungen der eigenen Herkunft zu lösen.
Als der elfjährige Lev über Wochen ans Bett gefesselt ist, wird ausgerechnet die gescheite, aber von allen gemiedene Kato zu ihm ans Krankenbett geschickt um ihm die Hausaufgaben zu bringen. Zwischen dem ungleichen Paar entsteht eine unverbrüchliche Verbindung, die Lev aus seiner Versteinerung löst und den beiden Heranwachsenden im kommunistischen Vielvölkerstaat Rumänien einen Halt bietet. Ein halbes Jhr später läuft Lev noch immer die Pfade seiner Kindheit ab, während Kato schon vor Jahren in den Westen aufgebrochen ist. Geblieben sind Lev nur ihre gezeichneten Postkarten aus ganz Europa. Bis ihn eines Tages eine Postkarte aus Zürich erreicht, darauf nur ein einziger Satz:“ Wann kommst du?“ Kunstvoll und poetisch verwandelt Iris Wolff jenen Moment in Sprache, wenn ein Leben ans andere rührt und zeichnet in ihrem großen europäischen Roman das Porträt einer berührenden Freundschaft, die sich als Reise in die Vergangenheit offenbart und deren Leuchten noch lange nachklingt.
Eine schwebende Magie liegt in ihren Worten, die Erinnerungstechnik hat mich eingesaugt in die Leben von Lev und Kato. Kapitel für Kapitel erschließt sich der Sinn, fügen sich Zusammenhänge und Sinn zusammen, beginnt man zu verstehen.
Wunderschön, einzigartig! Ich bin, trotz aller Tragik, verzaubert.(JG)
Ihr werdet glücklich sein
Bessora
hr2-Kultur Buchtipp vorgestellt von Ingeborg Jakobi
Louise
Ursel Bäumer
“ Ich bin meine Kunst“ Louise Bourgeois erzählt ihr Leben
Louise wächst zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Paris auf. Schon ihre Kindheit verbringt sie in der elterlichen Tapisserie, dort erkennt man recht bald ihr künstlerisches Talent. Es bleibt ihr wenig Freiraum und Selbstbestimmtes. Sie pflegt ihre schwerkranke Mutter, kümmert sich um den Haushalt und muss ihre Arbeitskraft einbringen. Besonders und liebevoll ist das Verhältnis zur Mutter, um so mehr leidet sie unter dem strengen Vater. Bis zuletzt verweigert er ihr seine Anerkennung. Das Leben wird für Louise bald unerträglich, sie flüchtet und beginnt ein Mathematikstudium. Sehr schnell entscheidet sie sich jedoch für die bildende Kunst und wird eine wunderbare Bildhauerin. Zu ihren bedeutenden Werken zählt „Maman“, eine überdimensionale Spinnenfigur.
Gekonnt umgesetzt- der Leser folgt ihrem inneren Dialog, Lebensgeschichte und künstlerisches Schaffen verbinden sich.(KB)
Nachtfrauen
Maja Haderlap
Zwei Generationen erzählen über Unbekanntes und Schicksalhaftes der slowenischen Minderheit in Österreich, (K)ein Mutter-Tochter-Roman
Mira hat Südkärnten vor Jahren verlassen, sie studierte in Wien und ist als Bildungs-und Frauenreferentin erfolgreich. Jetzt kommt sie in ihre alte Heimat zurück zu ihrer Mutter Anni. Das Haus soll abgerissen werden und die Mutter ihren Lebensabend im Altersheim verbringen. Mira und ihre Mutter haben ein angespanntes Verhältnis, viel gesprochen wurde nie. Beim Stöbern in alten Kisten wird Mira mit der Vergangenheit konfrontiert und längst Verdrängtes bricht auf. Im zweiten Teil des Buches erzählt Anni ihre Lebensgeschichte und ihre vorgeschriebene Rolle als Frau, die ein Schattendasein führen mußte, Kinder, Küche und Kirche – mehr durfte nicht sein.
Zitat: “ Alle Sätze, die mit einem Ich begannen, hatten etwas Anrüchiges, Vorlautes an sich. Sie galten als Regelverletzung, als maßlos und eingebildet. Der Wert einer Frau wurde auch daran gemessen, wie gut sie ihren Mund halten konnte“
Großartig erzählt aus zwei Perspektiven, zu Recht für den österreichischen Buchpreis nominiert (KB)
Mattanza
Germana Fabiano
Abschied von einer längst vergessenen Welt
Auf der kleinen sizilianischen Insel lebt man vom Thunfischfang. Die Bewohner sind eine eingeschworene Gemeinschaft, sie brauchen ihre Rituale und die uralten Regeln. Eine adlige Familie unterstützt die Fischer und finanziert den regen Betrieb in der Thunfischfabrik. Traditionell bestimmt der „Rais“ den richtigen Zeitpunkt für den jährlichen Fang. Dieses Amt wird in seiner Familie vererbt, allerdings nur an männliche Nachkommen. Doch der letzte Erbe ist ein Mädchen! Eleonora muß sich fügen und die Tradition fortführen. Das bedeutet für sie von Kindheit an Verzicht und Ausgrenzung- sie ist eine Besondere.
Wir begleiten sie und erleben mit ihr den großen Wandel- die Meere sind leergefischt, Touristen strömen auf die beschauliche Insel und die ersten Flüchtlinge werden an Land gespült…
Stimmungsbilder, Respekt und Liebe für die Menschen und ihre Kultur und letztenendes das Verschwinden von alten Gewohnheiten- das macht dieses Buch so besonders. (KB)
Der Trost der Schönheit
Gabriele von Arnim
Zitat: „Ich brauche Schönheit. Den Trost der Schönheit. Denn wenn ich Schönheit sehe, höre, dann glaube ich an Möglichkeiten, an Wege, Räume, Purzelbäume. Schönheit kann Gefühle befreien, kann uns den Mut geben, Neues zu wagen, oder die Kraft, Unveränderbares zu ertragen“
Was für bewegende Sätze! Ein Suchen und Finden im Alltäglichen, in der Literatur, der Musik und der Natur. Selbst in Begegnungen mit anderen Menschen oder dem eigenen ICH lässt sich Schönheit finden und Trost. Es ist ermutigend, sich selbst zu öffnen, den Gefühlen freien Lauf zu lassen. In so vielen Lebensmomenten wartet Schönheit auf uns, um entdeckt zu werden. Dennoch regt sich das schlechte Gewissen: darf ich die Schönheit suchen und genießen, wenn das Weltgeschehen und damit verbundene schlechte Nachrichten auf mich einwirken? Unbedingt, denn wir alle brauchen die schönen Dinge, um bei Kräften zu bleiben. (KB)
Sommerwasser
Sarah Moss
Eine Sommergeschichte der besonderen Art, Schottland im Dauerregen
Abgelegen, einsam, ein kleiner See… es könnte so schön sein! Aber wir sind in Schottland!
Die Ferienhütten sind heruntergekommen, es regnet ununterbrochen, man kann nicht vor die Tür und hockt aufeinander. Die Handys haben keinen Empfang und der nächste Pub ist weit weg. Das macht mürbe und die Stimmung kippt. Was bleibt an Zerstreuung ? – mal eben durch`s Fenster schauen und die Nachbarn beobachten.
Der Leser zieht mit von Haus zu Haus und taucht ein in die erzwungene Isolation der Bewohner. Recht bald stört man sich aneinander und besonders an einer Familie, die durch ihr Anderssein provoziert. Alle sind genervt, Konflikte bahnen sich an und Abgründe tun sich auf, wer achtet da noch auf eigene Unzulänglichkeiten? Die Geschichte entwickelt eine besondere Dynamik bis hin zu einem völlig unerwarteten Finale, das den Leser erschaudern lässt. (KB)
Psst! Ich lese!
John Kelly
Aus Liebe zum Lesen
Paradise Garden
Elena Fischer
Eine berührende Geschichte der 14-jährigen Billie, die durch den tragischen Tod ihrer Mutter schneller erwachsen wird, als ihr lieb ist.
Der belgische Konsul
Amelie Nothomb
Die Biografie des eigenen Vaters, meisterhaft erzählt aus der Perspektive eines 6-jährigen Jungen.
Die Mütter
Stefan Györke
Ein Matriarchat im bourgeoisen Zürich? Kann das gelingen? Mit viel Fantasie, Sprachwitz und Zuneigung zu seinen Figuren läßt Stefan Györke alte und neue Kulturen aufeinander prallen.
Reine Farbe
Sheila Heti
Wir befinden uns in der ersten Version von Gottes Schöpfung, einem ersten Versuch also, genau in dem Moment, in dem er von der Leinwand zurücktritt und sein Werk betrachtet und bewertet. Das menschliche Wesen ist eingeteilt in drei Grundtypen: Vogel, Fisch und Bär.
Mira ist verortet in dieser Welt, die die unsere ist, und muss sich zurechtfinden mit ihrem Typus und ihren Umständen. Sie wird zum Blatt, als ihr Vater stirbt und erlebt die Welt aus ihm heraus.
Ein Text, in dem so viel steckt wie in einem ganzen Leben. Es reicht eigentlich nicht, ihn ein einziges Mal zu lesen, das hier ist Stoff für Buchclubs, Deutsch- (bzw. Englisch-) und Religions / Ethikunterricht und jedes Gespräch, dass man über Philosophie, Psychologie, Glaube, Liebe, Hoffnung (und vieles mehr) führen kann.
„Ein Atlas der Gefühle und eine Bibel für unsere Zeit“ proklamiert der Klappentext – zu recht. (JG)
Frau Komachi empfiehlt ein Buch
Michiko Ayoama
Fünf Individuen, die in ihrem eigenen Leben in der Sackgasse stecken, finden „zufällig“ den Weg in eine Bücherei, in der die Bibliothekarin mit Lebenserfahrung das genau richtige Buch als Wegweiser aus der Sackgasse empfiehlt.
Ein zauberhaftes Bändchen mit leicht sprödem Charme, das heilende Denkanstöße gibt.
„Wonach suchen Sie?“ diese Frage stellt Sayuri Komachi allen Besuchern in ihrer kleinen Gemeindebibliothek in Tokio.Und sie meint die Frage durchaus im übertragenen Sinne. Denn die Bibliothekarin spürt genau, wonach die Menschen im Leben suchen: von der rastlosen Verkäuferin, die mit ihrem Job hadert, dem schüchternen Buchhalter, der davon träumt, ein Antiquitätengeschäft zu eröffnen, oder der frischgebackenen Mutter, die sich zwischen Beruf und Familie aufreibt …
Sie alle befinden sich in einer Sackgasse. Und alle führt es früher oder später zu Frau Komachi in die Bibliothek. Ihre überraschenden Buchempfehlungen haben ungeahnte Folgen. Die Lektüre entpuppt sich als Katalysator für eine andere Denkweise und eröffnet neue Wege. Und letztlich hilft sie den Besuchern, ihre aktuelle Lebenskrise zu meistern. Denn Frau Komachi weiß: Bücher haben magische Kräfte und sind eine verläßliche Quelle der Inspiration. (IJ)
Wunderkammer des Lesens
Thomas Böhm
Gedanken über Bücher, die zum Verweilen einladen
Da war ich eigentlich noch nie
Thomas Böhm
Die Wunderkammer des Reisens in Deutschland
Koller
Annika Büsing
Eine Reise ans Meer in einem klapprigen Polo, zwei, die unterschiedlicher nicht sein können und die Frage, ob beide die Kurve kriegen…
Auf ein Bier bleibe ich noch
Lennart Adam
Es gilt, Vorurteile abzubauen, Sprachbarrieren zu überwinden und auch mal brenzlige Situationen zu meistern.
Natürlich hat jedes Land eine Menge Sehenswürdigkeiten und wunderbare Naturschauplätze, doch jede Thresenbekanntschaft hinterlässt besondere Momente und eine einzigeartige Episode.
Die reisefreudige Leserschaft wird begeistert sein, gefunden im Reisedepeschenverlag. (KB)
Kann ich alleine!
Kathrin Schärer
Die einzige Frau im Raum
Marie Benedict
Draußen gehen
Christian Sauer
Die Reise des gelehrten Doktor Leonardo und seiner zukünftigen Geliebten, der schönen Alceste, in die Slobidische Schweiz
Mike Johansen
hr2-Kultur Buchtipp vorgestellt von Ingeborg Jakobi
Brüderchen
Clara Dupont-Monod
In einer sehr starken Sprache wird erzählt, wie jeder Einzelne in der Familie dieses Schicksal annimmt.
Der große Bruder übernimmt die tägliche Pflege und Fürsorge und damit auch viel Verantwortung.
Die kleine Schwester rebelliert verzweifelt und stürzt sich ins Leben, keiner kann sich um sie kümmern.
Am Rande ihrer Kräfte kämpfen die Eltern stets mit den Behörden und geben das Kind letztenendes zur Pflege in ein Heim.
Nach dem Tod des „Brüderchens “ sind sie sehr mutig, ein weiteres Kind wird geboren. Dieser Kleine ist gesund und nahezu perfekt in allem. Durch sein großherziges Wesen gelingt es dem “ Nachgeborenen “ Glücksmomente und Frieden in diese Familie zurückzubringen.
Ein zutiefst berührendes Buch, beeindruckend durch die besondere Erzählweise, ein Buch, das ohne Namen auskommt.(KB)
Oskar Urlaubär
Birgit Schössow
Sehr erschrocken sind sie wohl alle, denn aus dem Bus steigt auch ein dicker zotteliger Kerl – Oskar der Bär.
Doch Oskar Urlaubär weiß sich zu benehmen, er hilft, wo er kann und so ist er recht schnell beliebt bei allen.
Bei diesen farbenfrohen Bildern wäre man selbst gerne mit dabei. Wir sehen Oskar am Strand, im Restaurant und auf dem Spielplatz , viel zu schnell gehen die Ferientage vorbei.
Am Ende aber gibt es noch eine große Überraschung für Oskar (KB)
22 Bahnen
Caroline Wahl
Alle Freunde sind weg aus der Kleinstadt, Tilda muss bleiben – sie handelt oft selbstlos, gönnt sich nichts.
Ein Angebot des Professors, in Berlin zu promovieren, scheint unmöglich.
Die Mutter kriegt ihr Leben nicht mehr allein geregelt und die kleine Schwester besucht noch die Grundschule.
Einzig allein das regelmäßige Schwimmen – exakt 22 Bahnen -das ist ihr Lichtblick. Auch die Begegnung mit Viktor könnte
ihr Leben verändern.
Es tut weh, in diese Geschichte einzutauchen, der Schreibstil ist eher nüchtern, es liest sich fast wie ein Drehbuch.
Caroline Wahl formuliert klar und mit scharfer Zunge und erinnert mich an Annika Büsing`s Roman “ Nordstadt“ (KB)
Pompeij oder Die fünf Reden des Jowna
Eugen Ruge
Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen
Toon Tellegen, Marc Boutavant
Perfekt für kleine Wut – und Trotzköpfe
So viele Tiere gibt es und anscheinend genau so viele Gründe, mal richtig wütend zu sein. In den zwölf Geschichten lernen wir so manches über ein ganz normales Gefühl, es gibt ja auch tausend Gründe um sich mal wieder so richtig aufzuregen und es gibt sogar einen Wettbewerb, wer kann es wohl am besten?
Doch eines Tag ist die Wut weg, einfach verschwunden ! Jetzt muss man sie wohl suchen gehen, denn wütend sein ist doch wunderbar – oder doch nicht…
Welten auseinander
Julia Frank
Dinner mit den Schnabels
Toni Jordan
Simon kriegt seine Chance, er hat sieben Tage Zeit um den Garten eines Freundes für eine Familienfeier umzugestalten.
Sieben Tage im Leben der Schnabels, sieben Tage, an denen sich eine Katastrophe nach der anderen anbahnt und obendrein sieben Tage mit der piesackenden Familie…
Doch alles wird irgendwie gut! (KB)
Going Zero
Anthony Mc Carten
Die Markierung
Frida Isberg
Mindset
Sebastian Hotz
Beschreibung des Verlags (gekürzt):
„Maximilian Krach hat alles, was sich ein im Internet sozialisierter junger Mann im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wünschen kann: teure Uhren, eine amtliche Anzahl Follower, eine so einfache wie geniale Geschäftsidee und einen unerschütterlichen Glauben an die eigene Einzigartigkeit.
Da ihm daran gelegen ist, seine Erkenntnisse und Einsichten zu teilen, nimmt er sich alle paar Wochen die Zeit, um einem vollbesetzten Seminarraum in mittleren und kleinen deutschen Großstädten seine Ideen zuteilwerden zu lassen. Es geht um Wölfe und Schafe, um berühmte Einzelgänger und um den Schlüssel zum Erfolg, der nicht, wie so viele glauben, irgendwo da draußen liegt, sondern viel, viel näher: im richtigen Mindset.
Ein Roman über Männer, die keine Zeit und keine Lust haben, an ihrer Durchschnittlichkeit zu verzweifeln, und eine Gesellschaft, die deren Ausflüchte irgendwie bewältigen muss. Als ob es nicht schon genug Probleme gäbe.”
Lieblingszitat aus dem Buch:
„Was immer du auch tust, du darfst niemals aufgeben. Ein Mantra, wie es unmenschlicher nicht sein könnte, liegt doch in keiner Handlung etwas Revolutionäreres und Fortschrittlicheres als im Aufgeben. Hätten die Alchemisten niemals aufgegeben, würden wir noch heute versuchen, künstlich Gold herzustellen, in jedem Aufgeben liegt die Chance eines Neuanfangs. Bleib liegen, wenn du am Boden bist.”
Sebastian Hotz’ bewundernswerte Fähigkeit, Wahrheiten und Absurditäten pointiert auf den Punkt zu bringen, war schon vor „Mindset” bekannt (siehe ElHotzo auf Twitter etc.). Er stellt sie erneut unter Beweis. Ein kluger Roman, der schnörkellos (man könnte schon fast von sprachlichem Minimalismus sprechen) eine Wahrheit nach der anderen auf den Tisch knallt. Nur ohne Knall irgendwie. Ich habe selten einen gesellschaftskritischen Roman gelesen, der sich so wenig nach erhobenem Zeigefinger anfühlt. Man kommt nicht umhin zu lachen, ob der traurigen Welt in der wir leben. Klug spielt Sebastian Hotz mit Schein und Sein und führt zum Schluss von der Entfremdung, die mit der Lüge kommt, zurück zur Verbindung, die in der Wahrheit steckt. Fette Leseempfehlung! (JG)
Über die Berechnung des Rauminhalts I
Solvej Balle
„Nach einer Geschäftsreise zu einer Antiquariatsmesse in Bordeaux beginnt für die Buchhändlerin Tara Selter, die mit ihrem Mann Thomas in einem Haus in Nordfrankreich lebt, die Zeit stillzustehen. Gefangen in einer Wiederholung, durchlebt sie stets von Neuem jenen 18. November, während es für Thomas und alle anderen Menschen, denen sie begegnet, ein immer neuer Anfang ist. Sie erinnern sich an nichts, was »gestern« war,erwachen stets zu ihrem ersten 18. November des Jahres. Genießt Tara diese Zeit des »Schwindels« im doppelten Sinne die ersten sechzig Tage noch, offenbart sich langsam ein Problem: Sie wird älter, Thomas nicht. Die beiden, die sich zuvor so nahegestanden haben, entfernen sich voneinander – und Tara versucht versessen, aus dem 18. November herauszufinden.”
Lieblingszitat aus dem Buch:
„Das Undenkbare tragen wir ständig mit uns. Es ist schon geschehen: Wir gehen umher und sind unwahrscheinlich, wir sind aus einer Wolke von unglaublichen Koinzidenzen gestiegen.”
Was ist real? Diese Frage stellt das Buch, stellt die Geschichte und (so viel sei vorweggenommen) beantwortet sie am Ende nicht. Klüger ist man zum Schluss dennoch, und offener: Alles ist (theoretisch) möglich und wir haben vom Universum, vom Leben, von der Welt nur eine begrenzte Idee. Unsere Wahrnehmung ist eine äußerst subjektive, wandelbare, unzuverlässige Sache.
„Das Undenkbare tragen wir ständig mit uns.” – Der Roman spielt mit Wirklichkeit, Wissen(schaft) und Wahrnehmung. Und der Frage, wie viel Einfluss der Mensch auf diese Welt wirklich hat. Ich bin gespannt auf Teil 2. (JG)
Melody
Martin Suter
Mein neuer Bestseller : )
Mathilda Masters
321 superschlaue Dinge die du über Geschichte wissen musst
Ein Buch über Geschichte? Unbedingt, denn das ist keinesfalls verstaubter alter Kram sondern gut recherchiert und ganz originell zu Papier gebracht.
Alle Fragen werden gut verständlich beantwortet und verblüffen sicher auch so manchen Erwachsenen. (KB)
Atlas unserer spektakulären Körper
„Ich, Tintengrind, sinnend Ding, offenporig zu ihrem Beginn; nicht größer als eine Kapillare. Seither schmerze ich mich entlang ihrer Ränder. Hab mich durch Gewebe, Gewölbe, Gebein, Geknitter, Geknote geschmeckt, gesplittert, gesickert und gekaut, so viel, so gut, so zäh, dass mir der Ort jetzt erscheint wie meiner.“
Was für ein Einstieg in einen Roman! Wer sich da das Wort nimmt … und noch viel mehr? Ein Tumor, der Tumor, der Lia, die Hauptfigur in „Atlas unserer spektakulären Körper“ befallen hat. Nicht nur er ist äußerst beredt und redselig. Auf über 400 Seiten voller poetischster Sätze werden wir mitgerissen vom Strom aller Gefühle eines intensiven Lebens, erleben größtmögliche Zerrissenheit, Liebe, Zweifel. Und nein, auch wenn das Thema Krebs zutiefst erschütternd ist, hüllt uns die Sprache der Autorin doch in Trost und Vertrauen auf Erlösung. Eine wahre Tour de Force eines Leidensweges, den die junge Autorin Mortimer in Worten und Sätzen, die uns atemlos und bestürzt sein lassen, in ihrem Debütroman (!) brillant hingeweht hat.“ (IJ)
Ein berührend-poetischer Roman über das Ende eines und den Beginn eines anderen Lebens und über die Grenzen, die ein schwacher Körper einem starken Geist setzen kann.
Dies ist die Geschichte eines unfassbaren Wesens. Langsam, aber unaufhaltsam durchwandert es eine faszinierende Landschaft: die des menschlichen Körpers. Es macht Rast in seinem Inneren, erkundet Zellen, Gewebe, Organe. Wortgewandt und voller ungeahnter Einblicke erzählt das Wesen von der Topographie dieses Körpers, dem es mit jeder Station seiner Wanderung ein bisschen mehr Lebendigkeit entreißt.
Dies ist auch die Geschichte von Lia, einer jungen lebensfrohen Frau, glücklich verheiratet und Mutter einer Tochter. Es ist Lias Leben, dessen Geschichte dieses Wesen erzählt, weil es die junge Frau in- und auswendig kennt: die verborgenen Geheimnisse ihrer Vergangenheit, die unausgesprochenen Wahrheiten ihrer Gegenwart und die Unausweichlichkeit einer Zukunft, die das Ziel seiner Reise sein wird.
Maddie Mortimers Debüt ist eine unglaubliche Reise durch den menschlichen Körper, das von spektakulären Orten erzählt, ohne die es unser Leben nicht gäbe.
Lesen ist doof
„Einfach nur wunderbar – für Jung und Alt“ (IJ)
Endlich! Silke Schlichtmann und Nils Freytag liefern 20 gute Gründe, Lesen doof zu finden. Selten haben sich Text und Bild so lustvoll widersprochen.
Lesen ist doof, weil es so lange dauert? Egal, wenn eine Schnecke das Tempo vorgibt. Lesen ist doof, weil alles nur ausgedacht ist? Nicht, wenn das Sams einem plötzlich auf die Schulter tippt. Es ist langweilig, weil man dabei allein ist? Aber doch nicht, wenn Fabelwesen mitlesen! Oder gar anstrengend? Man nehme sich einfach ein Beispiel an dem lesenden Kaninchen im Klappstuhl! Silke Schlichtmann und Nils Freytag haben jede Menge Vorurteile übers Lesen gesammelt – nur, um von 20 hochkarätigen Illustrator:innen aufs Wunderbarste widerlegt zu werden. Herausgekommen ist ein für Groß und Klein ungemein reizvolles Lese- und Sehvergnügen – das natürlich vor allem eines macht: Lust aufs Lesen!
Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus
Diese Essays sind ein Geschenk: Sie öffnen ein Fenster zum Verständnis des Unvorstellbaren, das gerade in der Ukraine geschieht. Ergreifend und analytisch messerscharf führt die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Tanja Maljartschuk vor, was die kriegerische Expansionspolitik Russlands mit einem Land und seinen Menschen anrichtet. Und das nicht erst seit 2022, sondern seit über einem Jahrzehnt.
Was bedeutet es, aus einem Land zu stammen, dessen Existenzrecht aggressiv infrage gestellt wird? Wie kann eine Nation unter diesen Umständen zu sich selbst finden? Wie soll man umgehen mit dem Schmerz und der Wut und der Sprachlosigkeit, die der Krieg Tag für Tag heraufbeschwört? All diesen Fragen geht Tanja Maljartschuk in ihren Essays nach: mal analytisch und gefasst, mal verzweifelt, immer wieder aber auch spöttisch und voller Humor.
Eigentlich sind diese Essays eine unglaublich zartfühlende Hommage an Tanja Maljartschuks Familie und v.a. ihre Großmutter, die weder lesen noch schreiben konnte. In einem Land, in dem Schweigen eher als Worte das Überleben sicherte. Und jetzt hat Frau Maljartschuk so schöne poetische Worte, um aus größter Ferne und dichtester Nähe uns zu schildern, was Heimat bedeutet, Familie, Angst, Fremdsein, Menschsein. Grandios. (IJ)
Dein Fortsein ist Finsternis
»Erzähl meine Geschichte, und ich bekomme meinen Namen zurück.« Ein Mann erwacht in einer Kirche, irgendwo tief in den Westfjorden Islands, und erinnert sich an nichts. Doch die Frau, der er auf dem Friedhof begegnet, erkennt ihn wieder. Rúna berichtet von ihrer verstorbenen Mutter, und sie schickt ihn zu ihrer Schwester Sóley, mit der ihn eine brüchige Nähe zu verbinden scheint. Mithilfe ihrer und anderer Erzählungen setzt er sein Leben neu zusammen – bis sich nicht nur sein, sondern das Schicksal aller Menschen dieses einsamen Fjords vor uns erhebt. Ein raunendes, gewaltiges Meisterwerk, das die Kraft der Literatur feiert!
Ein Mann ohne Gedächtnis, zwei Schwestern, ein geisterhafter Pfarrer und Busfahrer als Gesprächspartner und viele andere Menschen mehr durch Jahrhunderte – langsam werden einzelne Geschichten wie Fäden zusammengewebt zu etwas, was eine Lebensgeschichte sein kann. Und vor dem Lesenden eröffnet sich nicht nur Geschichte und Natur Islands, sondern eine Familiengeschichte voller Liebe und Geheimnisse und deren Folgen.
So humorig und schönwortig geschrieben, dass ich gerne alle Erzählschlaufen und Wiederholungen mitgenommen habe. Ein Traum von einem Roman! (IJ)